Über acht quälend lange Jahre zog sich der Weg von der Regierungserklärung zur Altersteilzeit, über die nötigen Gesetzesänderungen im Landtag bis hin zur tatsächlichen Möglichkeit, die Altersteilzeit als Stadt-Wien-Mensch auch wirklich konsumieren zu können.

In dieser über acht Jahre dauernden Schrecksekunde sind sowohl die Vorfreude, als auch die Erwartungshaltung derart gestiegen, dass die Dienstgeberin nun eine Welle von Altersteilzeitanträgen zu verdauen hat.

Die Zeit zwischen konkreter Gesetzwerdung 2019 und dem Inkrafttreten 2022 hat die Dienstgeberin in gewohnter Somnolenz ungenützt verstreichen lassen, um auf die nunmehr seit Jahresanfang völlig überraschend gestellten Anträge in ihrer vorausschauenden Personalplanung vorbereitet zu sein.

Gotteseidank enthalten die gesetzlichen Grundlagen ja den Terminus „Wenn keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen“. Die umgangssprachliche Entsprechung hierzu wäre in etwa „Wenn’s mir nicht in den Kram passt, sag ich halt nein“.

Dieser Personalmangel auch immer…

Eine der oft benutzten „wichtige dienstliche Interessen“-Begründungsworthülsen unserer Abteilungsmanager*innen ist das Totschlagargument Personalmangel. Da lohnt es sich einmal genauer hinzusehen. Wie kommt es im Allgemeinen zu Personalmangel, also zu dem Missverhältnis von anfallender Arbeit und zugreifenden Händen?

  1. Trotz „Employer Branding Schmäh“ wollen zu wenige Menschen mit entsprechender Ausbildung zur Stadt Wien (zB. Kindergartenpädagog*innen, Krankenpflegepersonen, Kinder- und Jugendpsychiater*innen, etc.),
  2. die Abteilung hat keine freien Dienstposten und bekommt auch keine neuen genehmigt,
  3. die Abteilung hat zu wenig Budget und dieses wird auch nicht erhöht.

Diese drei Argumente sind die am häufigsten genannten Gründe für den Befund „Personalmangel“.

Unsere kleinen und großen Stadt- und Abteilungsmanager*innen erwecken den Eindruck, als wären die oben genannten drei Dinge unvermeidlich, quasi Naturereignisse, die unvorhersehbar über uns hereinbrechen und in niemandes Verantwortung oder Gestaltungsmöglichkeit lägen. Wir wüssten da schon was:

Zum Punkt 1 könnten unsere Personalmanager*innen zu dem Entschluss kommen, Arbeitsbedingungen zu hinterfragen und zu verbessern, mehr Gehalt zu zahlen, mehr Personen auszubilden. Naja, wahrscheinlich zu progressiv und nur ein frommer Wunsch.

Zu den Punkten 2 und 3 hat der Wiener Gemeinderat mit seinen 100 Funktionsträger*innen jährlich die Möglichkeit, im Zuge der Voranschlagserstellung und Beschlussfassung den Dienstpostenplan zu erweitern und das Personalbudget an die Erfordernisse anzupassen. Allein es fehlt am mehrheitsfähigen Willen hierzu.

Prof. Gerhard Steger – ein bundesweit und überfraktionell anerkannter Budgetexperte – hat es in seinen Vorlesungen recht simpel und eindeutig auf den Punkt gebracht: „Im öffentlichen Haushalt entspricht der Voranschlag einer in Zahlen gegossenen Prioritätenliste. Kommt Ihr Thema nicht vor, dann ist es dem Normerzeuger einfach nicht wichtig genug.“

„Geht bei uns halt nicht“

Laut Bedienstetenvertretung sind im ersten Halbjahr 2022 in der Hauptgruppe 1 rund 130 Anträge gestellt und nur 9 Anträge abgelehnt worden. Sieht eigentlich nicht dramatisch aus – doch der Teufel steckt im Detail. Bösen Gerüchten zufolge soll es Magistratsabteilungen geben, die ihre Vorgesetzen auf allen Ebenen dazu anhalten, den Mitarbeiter*innen das Stellen von Altersteilzeitanträgen schon vorweg auszureden, um die erste Angriffswelle der Arbeitszeitreduktionssuchenden gleich zu unterbinden („Kein Budget“, „Kein Ersatz für reduzierte Stunden“, „Geht bei uns halt nicht“).

Ein konkretes und ganz besonders „nettes“ Beispiel dazu gefällig?

Die Leiterin einer Magistratsabteilung in der Hauptgruppe 1 mit rund 1000 Mitarbeiter*innen hat an ihre untergebenen Teamleiter*innen eine großartige mitarbeiter*innenorientierte Devise ausgegeben: „Wer Altersteilzeit in seinem Bereich befürwortet, bekommt dafür keinerlei Ersatz“.

Dass diese Leiterin ihr gesamtes Arbeitsleben in ein- und derselben Abteilung zugebracht hat, für ihr beharrliches Festhalten an starren Denkmustern und für einen ausgeprägten Hang zur Rechtschreibschwäche bekannt ist, tut hierbei nichts zur Sache.

In ihrem heroischen Abwehrkampf gegen den drohenden Altersteilzeit-Tsunami stellt sie sich nun gegen den Untergang des Abendlandes und gleichzeitig ihre atrophierte Mitarbeiter*innenorientierung unter Beweis. So entstand vermutlich auch das sarkastische Bonmot, sie hätte am liebsten für per Email gestellte Altersteilzeit-Anträge einen „Geh scheißn“-Antwortbutton programmieren lassen.

Trotz dieser nicht gerade einladenden Umstände haben sich drei von eintausend Personen getraut, einen Altersteilzeit-Antrag zu stellen.

2/3 davon wurden mit der Begründung Personalmangel abgelehnt. Eine Abgelehnte holte sich daraufhin einen Bescheid der Dienstbehörde und hat es schwarz auf weiß: Die 1000 Mitarbeiter*innen zählende Abteilung kann nicht auf 16 oder gar 24 Stunden verzichten, da hierdurch die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes unmöglich sein soll. Reflexhaft drängt sich da die Frage auf: Wenn einzelne Mitarbeiter*innen derart wichtig sind, warum spiegelt sich das nicht in der alltäglichen Wertschätzung wider?

Ein Blick in den druckfrischen Rechnungsabschluss 2021 zeigt für die Abteilung in puncto Personalmangel verstörender Weise ein ganz anderes Bild:

  • Per Ultimo 2021 verfügte die Abteilung über 99 unbesetzte Dienstposten
  • Beim Personalbudget ist auf der gesamten „5er Postenklasse“ ein Betrag von 2,8 Millionen Euro nicht ausgegeben worden

Allerdings kein einmaliger Ausreißer: Im Jahr zuvor waren es rund 70 offene Dienstposten und 1,7 Millionen eingespartes Personalbudget.

Seit diese Managerin die Regentschaft in ihrer Abteilung übernehmen durfte, hat sie zusätzlich zu den oben beschriebenen, unbesetzten Dienstposten weitere 40 Posten aus dem Dienstpostenplan streichen lassen.

Nicht schlecht: Zuerst Stellen streichen, dann noch vorhandene Stellen massenweise unbesetzt lassen und genehmigtes Personalbudget verfallen lassen, um dann den auf diese Weise ausgelutschten Arbeitskräften ihre egoistischen Altersteilzeit-Anträge ablehnen zu können. Ein recht eigenwilliges Programm zur Steigerung der Mitarbeiter*innenzufriedenheit. Bravissimo. Avanti Dilettanti!

Angesichts ihrer mitfühlenden Personalpolitik kann man es schon richtig spüren, wie sich die Mitarbeiter*innen grämen und ihre Tränen zurückhalten müssen, wenn sie an den baldigen Pensionsabgang von Fr. Abteilungsleiterin erinnert werden.

Unsere Gewerkschaft hat schon dazu aufgerufen, sich nicht davon abhalten zu lassen, Altersteilzeit-Anträge zu stellen. Gleichzeitig werden Ablehnungen und „Anekdoten“ gesammelt, um der Dienstgeberin zu zeigen, was nicht geht. Vielleicht braucht es auch nur etwas Zeit und weniger verbohrte Führungskräfte.

Erinnerungen an Themen wie Freijahr, Elternkarenz für Männer und sanfter Wiedereinstieg lassen bei ähnlichen Anlaufschwierigkeiten ein Pflänzchen der Hoffnung für die Altersteilzeit aufkeimen.

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