In unserem Land wurde mit 21. Dezember 1867 im Staatsgrundgesetz die Meinungsfreiheit (genauer Meinungsäußerungsfreiheit) verankert. Sie ist bis heute ein zentraler Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts und damit auch eine Grundlage der Republik Österreich. Gemeinsam mit anderen Gesetzen, wie der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, garantiert es die Grund- und Menschenrechte in Österreich. Es gehört weltweit zu den ältesten Gesetzen dieser Art, die nach wie vor in Geltung stehen.
Abgesehen davon, dass es in den letzten rund 150 Jahren auch dunkle Zeiten gab, in denen es mit den Menschenrechten nicht gut bestellt war, gibt es auch allgemein anerkannte Gründe für Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Das betrifft im Wesentlichen Gründe, die im Strafrecht verankert sind, wie beispielsweise Gewaltaufrufe, Verhetzung, Beschimpfungen, Wiederbetätigung und Ähnliches mehr.
Abgesehen von den vorgenannten absoluten „No-Gos“ ist es gefühlt in den letzten Jahren zu einer Einengung der als zulässig erachteten, öffentlichen Debattenräume gekommen. Egal ob Flüchtlingsdiskussion, Corona, Impfpflicht oder Ukrainekrieg, oft genügte ein „falsches“ Schlüsselwort und der oder die Sprecher*in wurde, ohne auf den Inhalt der Mitteilung einzugehen, als Person angegriffen und damit die Äußerung als defizitär hingestellt.
Wortschöpfungen wie „Schwurbler“, “Aluhutträger“, “Verschwörungstheoretiker“, „Putinversteher“, „Pandemiebefürworter“, die vorher unbekannt waren oder so gut wie nie verwendet wurden, werden benutzt, um das Gegenüber als nicht ernst zu nehmend abzustempeln. Dergestalt mit einem Etikett versehen, erübrigt sich dann auch gleich die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten.
„Goebbels war für die freie Meinungsäußerung von Ansichten, die er mochte. Das war Stalin auch. Wenn Sie wirklich für die Meinungsfreiheit sind, dann sind Sie für die Meinungsfreiheit von genau den Ansichten, die Sie verachten. Andernfalls sind Sie nicht für die Meinungsfreiheit.“ – Noam Chomsky
Meinungen werden auch allzu oft als Fakten dargestellt und es erwächst der Eindruck, es geht nicht um Wahrheitsfindung, sondern um‘s rhetorische Durchsetzen einer Agenda, die sich der oder die Sprecher*in so dringend wünscht. Auch scheinbar feststehende Fakten haben sich mit der Zeit als gar nicht so „faktisch“ herausgestellt. Selbst das Nobelpreis-Komitee hat sich schon geirrt und den Medizin-Nobelpreis für Erkenntnisse verliehen, die sich Jahre später als unhaltbare Annahmen herausstellten.
Es ist für die Wahrheitsfindung wenig hilfreich, andere Meinungen abzuwerten, zu marginalisieren oder den oder die Sender*in der Botschaft persönlich anzugreifen. Oder Personen und unerwünschte Meinungen zu „canceln“. Noam Chomsky – in den 90er Jahren meistzitierter Autor der Welt, Linguistik-Professor und überzeugter Pazifist – hat zu Beginn des Ukraine Krieges das Canceln russischer Informationsportale kritisiert. Nicht weil er geglaubt hat, dass die Russen im Recht wären oder die Wahrheit verbreiten. Seiner Meinung nach ist die freie Informationsbeschaffung zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich. Dass in einem Krieg alle Beteiligten es mit der Wahrheit nicht so ernst nehmen, hat schon Karl Krauss in „Die letzten Tage der Menschheit“ wortgewaltig beschrieben.
Meinungsfreiheit in Gefahr
Seit 2020 ist von staatlicher und privater Seite ein vermehrtes Behindern von unerwünschten – teils sicher auch haarsträubenden – Ansichten erfolgt. Öffentlich „geadelte“ Expert*innen und Faktenchecker*innen bestimmen, was im zulässig erachteten Meinungsspektrum liegt und was außerhalb liegende „Verschwörungstheorie“ ist. Die Politik sucht sich die entsprechenden Expert*innen und zensiert abweichende Ansichten. Social Media Konzerne (Facebook, Twitter, Youtube, Google..) löschen für unzulässig gehaltene Inhalte oder verstecken Suchergebnisse im Internet-nirgendwo. Das passiert natürlich nur zu unserem Schutz, damit wir keinen Fehlinformationen aufsitzen und falsche Entscheidungen treffen.
Genau jene Haltung, das Vorenthalten von Informationen, die Einschränkung des zulässigen Meinungsspektrums und das Verunglimpfen von Menschen, die Unpopuläres aussprechen, ist die wahre Gefahr für unsere liberale Gesellschaft, unsere Demokratie. Das Vergeben von Qualitätssiegeln für Informationen, das Faktencheckerunwesen und das Sperren von Informationskanälen degradiert das „Wahlvolk“ einer Demokratie zum kindlichen Gegenüber, dem man nicht nur die Denkrichtung vorgibt, sondern auch die Inhalte, die auf keinen Fall gedacht und gesagt werden dürfen. Die überwunden geglaubte, paternalistische Haltung ist der größtmögliche Schaden für eine demokratische Gesellschaft.
Vielmehr sollte das kritische Denken gewürdigt, geschützt und unseren Kleinsten schon nähergebracht werden. Kritisches Denken erfordert seinem Wesen nach das Abwägen und Vergleichen gegensätzlicher Ansichten. Als Gesellschaft täten wir gut daran, für den freien Austausch von Ideen zu kämpfen und uns keinesfalls die Denkverbote und Informationsbeschränkungen irgendeiner Autorität gefallen zu lassen.
Was kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen, dass sich einer Besachwaltung gleichendes, „betreutes Denken“ nicht durchsetzt?
Sich umfassend informieren und bewusst nach Informationen suchen, die Sachverhalte von mehreren Seiten beleuchten. Das Gegenüber ausreden lassen, den Gedankengang prüfen und nicht reflektorisch ablehnen, nur weil er nicht mit den bisherigen Erfahrungen übereinstimmt. Abweichende Meinungen auch mal stehen lassen können. Und sich niemals vorschreiben lassen, welche Informationskanäle benutzt werden dürfen.
Diese Ansätze wären ein guter Anfang und sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.