Mental Load ist die Last der unsichtbaren Aufgaben in der Familie. Es ist nicht nur das Abarbeiten von notwendigen Tätigkeiten, die sich in einer Familie ergeben, sondern vor allem auch das Daran-Denken, das Planen, Organisieren, Umsetzen und sich verantwortlich dafür fühlen. Frauen übernehmen diese Aufgaben zu einem großen Teil.
Zum Mental Load zählen die Bereiche der Care Arbeit, der Familienorganisation, der Wichtelarbeit und der Gefühlsarbeit. Zur Care Arbeit zählen Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von älteren Angehörigen, das sich Kümmern um diese und so weiter. Zur Familienorganisation gehört das Ausmachen von Arztterminen, Urlaube planen, wissen wo sich was befindet (z.B. Impfpässe etc.). Zur Wichtelarbeit gehört es zum Beispiel, Kindergeburtstag zu organisieren, an Geburtstage zu denken, sich Geschenke zu Ostern, Weihnachten und Geburtstagen zu überlegen und zu besorgen, Feiern zu planen und so weiter. Zur Gefühlsarbeit gehört, sich verantwortlich dafür zu fühlen, dass es allen in der Familie gut geht und die eigenen Gefühle zugunsten anderer zurückzustellen.
Mental Load ist unsichtbar und unbezahlt – dagegen ist Erwerbsarbeit bezahlt und anerkannt.
Wie gehen Frauen* mit dieser Last um?
Die meisten Frauen tendieren dazu, sich selbst permanent zu optimieren. Sie führen Haushaltspläne, verbinden Einkäufe und Erledigungen möglichst effizient auf ihrem Arbeitsweg, bestellen Kinderkleidung online in der U-Bahn usw. Sie zweifeln an sich selbst, wenn sie all diese Aufgaben nicht perfekt erledigen können, sie sind müde und erschöpft und haben das Gefühl, nie Allen und Allem gerecht zu werden. Sie haben ein dauerschlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber.
Warum ist Mental Load meist Frauensache?
Menschen begegnen sich in Rollen. Jede dieser Rollen hat einen individuellen Teil, der frei gestaltbar ist und einen kulturellen Teil, der Werte, Normen, eigene Rollenvorbilder, Erfahrungen durch die Sozialisation und gesellschaftliche Strukturen beinhaltet. Wie Paare ihre Rollen als „Mutter“ oder „Vater“ leben, ist daher nur zum Teil frei gewählt. Der kulturelle Teil ist größer und wirkt immer mit.
Wichtige Faktoren, warum Frauen diese Aufgaben übernehmen, sind konservative eigene Rollenvorbilder (Herkunftsfamilie, Werbung, Social Media etc.), die eigene Sozialisation, gesellschaftliche Rollenerwartungen sowie strukturelle Rahmenbedingungen.
Mental Load und Elternschaft: Verteilung der Erwerbsarbeit nach Elternschaft
72,3 % der Frauen arbeiten Teilzeit nach der Geburt des 1. Kindes, aber nur 7,3 % der Männer arbeiten dann Teilzeit. Bei weniger als 10 % der Paare arbeiten beide Teilzeit oder die Frau ist Vollzeit und der Mann Teilzeit beschäftigt. Weniger als 3% der Väter gehen länger als 2 Monate in Karenz, weniger als 1% länger als sechs Monate (Statistik Austria, 2020). Der Gender Care-Gap (=täglicher zeitlicher Mehraufwand von Frauen gegenüber Männern für unbezahlte Sorgearbeit) beläuft sich in Österreich laut Arbeiterkammer auf 98%. Frauen leisten damit fast doppelt so viel Sorgearbeit als Männer.
Neue Rollenvorstellungen und eine fairere Verteilung der Care-Arbeit könnten viele Probleme lösen! Das Abgeben der Durchführung von Aufgaben mildert den Mental Load nicht. Es braucht echte Verantwortungsübernahme.
Gleichberechtigte Elternschaft
Grundvoraussetzungen für eine gleichberechtigte Elternschaft sind echtes Interesse und Engagement auf beiden Seiten. Um eine gleichberechtigte Elternschaft zu erreichen, muss eine Ausgeglichenheit in vier Bereichen angestrebt werden: Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kindererziehung und -betreuung sowie Zeit für sich selbst (bzw. Zweisamkeit).
Paare, denen es gelingt, den Mental Load gerecht aufzuteilen, gewinnen dabei eine wirklich gleichberechtigte Elternschaft und eine Beziehung auf Augenhöhe. Weiters wächst das Mitgefühl, die Wertschätzung und das Verständnis füreinander, ein „Wir-Gefühl“ entsteht. Elternpaare gewinnen außerdem die Freiheit, nicht in festgefahrenen, traditionellen Rollenmustern zu leben und haben mehr Zeit für Selbstfürsorge und Beziehungspflege, da sie verzichtbarer werden. Wird der Mental Load tatsächlich gerecht aufgeteilt und gehen beide Elternteile gleichermaßen arbeiten, dann sind auch beide finanziell unabhängig. Auch haben so beide Elternteile eine tiefere Bindung zu den Kindern und haben beide volles Mitspracherecht.
Doch auch die Kinder von Paaren, die es schaffen, den Mental Load gerecht aufzuteilen, profitieren: Die Wahrscheinlichkeit für Gewalt in der Familie wird um bis zu 2/3 reduziert, wenn sich die Partner*innen die Sorgearbeit teilen. Gleichzeitig wachsen die Kinder mit modernen Rollenmodellen auf. Durch die Verschiebungen, die durch eine gerechte Teilung des Mental Loads entstehen, steigt außerdem die Lebenszufriedenheit für alle Familienmitglieder.
Strukturelle Rahmenbedingungen, die das Teilen des Mental Load erleichtern würden:
Politik
Die Politik könnte mit Änderungen das gerechte Teilen des Mental Load deutlich erleichtern und sich so aktiv für mehr Gleichstellung einsetzen. Zu den nötigen Schritten zählen eine verpflichtende Väterkarenz (mind. 5 Monate), eine verstärkte Bewusstmachung zum Thema Mental Load in Form von Kampagnen, die Einführung eines verpflichtenden Aufklärungsgesprächs bzw. Workshops im Rahmen des Eltern-Kind-Passes und der Förderung von Workshops und Gruppen für Paare.
Weiters braucht es einen Ausbau und eine qualitative Verbesserung der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem im ländlichen Raum, eine Förderung von Teilzeitarbeit beider Elternteile, eine finanzielle Aufwertung von bezahlten Care-Berufen und eine generellen Arbeitszeitverkürzung. Auch einen Rechtsanspruch auf Pensionssplitting, die Einführung von „Gleichstellung“ als Unterrichtsfach ab der 1. Bildungseinrichtung und die Förderung von gleichberechtigter Elternschaft von Anfang an – nicht erst bei der Trennung/Scheidung – sind wichtige Schritte, um den Mental Load gerecht teilen zu können.
Arbeitswelt
Doch auch in der Arbeitswelt muss es Veränderungen geben, wenn der Mental Load gerechter aufgeteilt werden soll. Dazu gehören das Mitdenken von Familienarbeit in Betrieben, indem flexible Arbeitszeiten ermöglicht werden, die Fixzeiten an die bestehenden Betreuungsmöglichkeiten angepasst werden, Betriebskindergärten angeboten werden und so weiter. Weiters müssen Elternteilzeit und längere Elternkarenz auch in klassischen Männerberufen möglich und selbstverständlich sein und Väterkarenzen und Elternteilzeit aktiv gefördert werden. Zusätzlich muss klar werden: Teilzeit ist Teilzeit und keine schlechtbezahlte Vollzeitstelle! Es muss außerdem die Möglichkeit bestehen, führende Positionen auch in Teilzeit auszuüben.
Was können Frauen dazu beitragen, dass eine gerechte Aufteilung des Mental Load in der Familie gelingt?
Frauen können die gerechte Aufteilung einfordern. Das Teilen wird auch erleichtert durch eine Weitergabe des Erfahrungs- und Kompetenzvorsprungs. Viele Frauen müssen auch lernen, dem/ der Partner*in etwas zuzutrauen und sie/ihn eigene Erfahrungen sammeln zu lassen. Dabei hilft es, den eigenen Perfektionismus zu reduzieren und die Bereitschaft anzunehmen, Verantwortung in der Care-Arbeit abzugeben. Es hilft auch, Mitverantwortung für die Finanzen der Familie zu übernehmen.
Fazit: Was kann ich als Frau tun?
Frauen können sich selbst helfen, den Wert ihrer unbezahlten Arbeit für sich greifbar zu machen. Das geht zum Beispiel, indem Care- und Organisations-Arbeitsstunden erfasst und mit durchschnittlichen Stundenlöhnen verrechnet werden, also z.B. € 12,- die Stunde für Putzen, € 14,- die Stunde für Büro- oder Organisationsarbeiten und so weiter. Laut der Firma Viking ergibt eine solche Berechnung ein Brutto-Jahresgehalt von € 66.539,- für den Job als „Vollzeitmutter“.
Durch eine solche Berechnung kann man den Mental Load sichtbar machen. Die Verteilung des Mental Load ist ein strukturelles Problem. Um Änderungen zu erzielen, sollte man das Gespräch mit dem/der Partner*in suchen und Fragen klären wie: Wie wollen wir gemeinsam Leben? Welches Gleichgewicht von Geld verdienen, Hausarbeit, Kinderbetreuung und Zeit zur eigenen Entfaltung können wir finden? (50:50 muss nicht sein). Mental Load und Aufgaben können dann neu verteilt werden, die Aufteilung sollte aber nicht in Stein gemeißelt sein und die Partner*innen sollten im Gespräch darüber bleiben. Sollte es hier zu Problemen oder Unverständnis kommen, können eventuell Paarworkshops besucht oder Paarberatung in Anspruch genommen werden.
Zeigt der/die Partner*in überhaupt keine Bereitschaft, Care-Arbeit und Mental Load zu teilen, kann man wie folgt vorgehen: Den Netto-Verdienst aus Mehr-Erwerbstätigkeit gerecht auf beide Partner*innen aufteilen, Pensionssplitting einfordern und bei anhaltender Belastung: gern Beratung bei frauen beraten frauen in Anspruch nehmen.
Mehr Informationen zum Thema Mental Load findest du auf Instagram: @mental.load.award, Facebook: Mental Load Award, Newsletter: Anmeldung bei schrammel@frauenberatenfrauen.at. Aktuelle Veranstaltungen, Workshops und Gruppen findest du auch unter www.frauenberatenfrauen.at/Gruppen
Nach einem Vortrag von DSP.in Barbara Schrammel MSc.